Der V-Mann
2002
Jeden Tag ein neuer V-Mann.
Sind V-Männer ein gezieltes Mittel, um rechtsradikale Parteien nicht verbieten lassen zu können? Was steckt wirklich hinter der Affäre?
Man stelle sich vor: Wer einen Neonazi beschimpft, muss Vorsicht walten lassen, denn es könnte eine Beamtenbeleidigung sein. Einem Flüchtling, der sich gegen den Angriff eines Skinheads wehrt, droht vielleicht sogar ein Verfahren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. So ist es allein rechtlich nicht, aber wer die Berichte in den Medien verfolgt könnte zu diesem Schluß kommen. Fast täglich wird ein neuer Vertrauens-Mann (V-Mann) des Verfassungsschutzes in der NPD bekannt.
Nach den V-Mann Skandalen in Thüringen und Brandenburg in den Jahren 2000 und 2001, wird nun wieder einmal das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz (VS) und Neonazis öffentlich.
Diverse Mitglieder der NPD, die als Belastungszeugen im Verbotsverfahren gegen die NPD aussagen sollen, arbeiten seit Jahren mit dem Staats- und Verfassungsschutz zusammen. Pressemeldungen zufolge gibt es allein in der NPD über 100 V-Männer.
Seit dies bekannt wurde, stand für die Meinungsmacher der Medien fest: Das NPD-Verbotsverfahren wird platzen. Fast alle Zeitungen befassen sich ausschließlich mit Spekulationen über die Einstellung des Verfahrens und etwaige Konsequenzen die aus dieser "Panne" gezogen werde müssten.
Der eigentliche Skandal wird jedoch nicht erwähnt. Seit Jahrzehnten gibt es eine enge Kooperation zwischen Behörden und Neonazis. Sie ist immer wieder Dokumentiert und Bewiesen worden, nicht zuletzt auch von Aussteigern aus der Naziszene. Seit Gründung der BRD gibt es diese zusammenarbeitet.
Zur Zeit scheint es, als ob alle bekannten NPD-Funktionäre auf der Gehaltsliste des VS standen. So auch Nico Wedding und Thorsten Cramer, Anführer eines Schlägertrupps, der im Sommer 2000 eine Kundgebung von Antifaschisten an der Gedenkstätte für das KZ Kemna in Wuppertal überfallen hatten. Der VS hält sich einen Schlägertrupp, schlußfolgerte die "Junge Welt". Es geht aber bei weitem darüber hinaus. Wolfgang Frenz, Mitbegründer der NPD und Hauptbelastungszeuge im Verbotsverfahren gegen die NPD arbeitet seit 1959 eng mit dem Verfassungsschutz zusammen. 1964 wurde die NPD gegründet. Ungeklärt ist, inwieweit der VS an dem Aufbau der NPD maßgeblich beteiligt war. Festzustellen ist, daß es seitdem unzählige bekanntgewordene Fälle von Unterstützung der Nazis durch die Behörden gibt. Die Vorgehensweise ist fast immer gleich. Die V-Männer geben meist unbrauchbare Informationen an den VS. Es ist bislang kein Fall bekannt, wonach der Staat aufgrund dieser Informationen erfolgreich gegen Neonazis vorgehen konnte oder wollte. Das scheint den VS jedoch nicht zu stören, im Gegenteil: Der VS gibt ihnen Informationen die von den Nazis wieder in die Szene getragen werden. So können sie beispielsweise ihre Gesinnungsgenossen vor anstehenden Aktionen wie Hausdurchsuchungen warnen.
Diese Zusammenarbeit einzelner Nazis erfolgt mit Wissen ihrer Kameraden. Die Nazi-Parteien profitieren schließlich nicht bloß von den hierdurch erlangten Informationen, sondern werden auch finanziell unterstützt. Die Behördenhonorare fließen direkt in die Kassen der Parteien. V-Mann Frenz hat für seine Informantentätigkeit nach eigenen Angaben monatlich 600 bis 800 Mark bekommen, die er versteuerte und dann in die NPD Kasse eingezahlt habe. Allein diese Zusammenarbeit hat der NPD demnach über 250 000 Mark eingebracht. Von den Rund 200 Spitzenfunktionären der NPD und den Jugendorganisationen bekamen, nach dem jetzigen Kenntnisstand, 30 als "heimliche" Staatsdiener Gelder vom Staat, die alle in die Parteikasse flossen. Mit welchen Summen der Staat die Nazis unterstützt ,kann nur grob geschätzt werden. Dass er dies tut, kann jedoch nicht mehr geleugnet werden.
Die Behörden leisten demnach eine umfassende Hilfe zum Auf- und Ausbau von Nazistrukturen. Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner spricht von einer Verstrickung des Verfassungsschutzes mit der rechtsextremen Szene: "Mit seinen klandestinen Mitteln der Unterwanderung und Infiltration mischt er dort partiell mit, verstrickt sich fast zwangsläufig in kriminelle Machenschaften, wobei dann auch Straftaten geduldet oder direkt gefördert werden". Doch die VS-Mitarbeiter haben nicht nur zu Gewalttaten angestiftet oder daran teilgenommen. Viele haben auch maßgeblich dazu beigetragen, rechte Organisationsstrukturen überhaupt erst aufzubauen. Hier liegt der eigentliche Skandal. Durch die V-Mann-Affäre wird wieder einmal deutlich, dass dem Staat die Existenz von Nazistrukturen so wichtig ist, dass er sie seit Gründung der BRD massivst unterstützt. Das Nachrichtenmagazin der "Spiegel" kommt nicht an dem Schluß vorbei, dass der ganze Vorfall belegt, die NPD sei auch eine Partei der Staatsschützer.
Obwohl die Fakten für sich sprechen, wird sich hiermit jedoch nicht weiter befasst. Im Gegenteil: das Bekanntwerden der V-Männer führt zu Forderungen nach einer Einstellung des Verbotsverfahren. Die Oppositionsparteien FDP und CDU wollen das Verfahren umgehend eingestellt wissen. In ihren Stellungnahmen erklären sie die Verbotsanträge für politisch gescheitert und verlangen den Rücktritt Schilys. Dies ist merkwürdig, da in Verfahren gegen die sich radikal nennende Linke oder gegen die organisierte Kriminalität der Einsatz von V-Männern auf der Tagesordnung steht. Im Verfahren gelten sie den Richtern meist noch als besonders glaubwürdige und zuverlässige Personen. Eingestellt werden diese Verfahren, trotz Protesten von Verteidigern und Europäischen Gerichtshof nicht. Auch waren die Lieferungen der Bomben und die logistische Unterstützung der Stadtguerilla kein Hindernisgrund zur konsequenten Verfolgung durch den Staat bis in die heutige Zeit.
Bei näherer Betrachtung bleibt folglich nur der Schluß, dass es ein Interesse an der Existenz von Naziparteien gibt. Ein Verbot soll mit allen Mitteln verhindert werden. Selbst der Preis, dass die Verstrickung von Staat und Nazis erkennbar wird, ist hierfür nicht zu hoch.
Jeden Tag ein neuer V-Mann.
Sind V-Männer ein gezieltes Mittel, um rechtsradikale Parteien nicht verbieten lassen zu können? Was steckt wirklich hinter der Affäre?
Man stelle sich vor: Wer einen Neonazi beschimpft, muss Vorsicht walten lassen, denn es könnte eine Beamtenbeleidigung sein. Einem Flüchtling, der sich gegen den Angriff eines Skinheads wehrt, droht vielleicht sogar ein Verfahren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. So ist es allein rechtlich nicht, aber wer die Berichte in den Medien verfolgt könnte zu diesem Schluß kommen. Fast täglich wird ein neuer Vertrauens-Mann (V-Mann) des Verfassungsschutzes in der NPD bekannt.
Nach den V-Mann Skandalen in Thüringen und Brandenburg in den Jahren 2000 und 2001, wird nun wieder einmal das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz (VS) und Neonazis öffentlich.
Diverse Mitglieder der NPD, die als Belastungszeugen im Verbotsverfahren gegen die NPD aussagen sollen, arbeiten seit Jahren mit dem Staats- und Verfassungsschutz zusammen. Pressemeldungen zufolge gibt es allein in der NPD über 100 V-Männer.
Seit dies bekannt wurde, stand für die Meinungsmacher der Medien fest: Das NPD-Verbotsverfahren wird platzen. Fast alle Zeitungen befassen sich ausschließlich mit Spekulationen über die Einstellung des Verfahrens und etwaige Konsequenzen die aus dieser "Panne" gezogen werde müssten.
Der eigentliche Skandal wird jedoch nicht erwähnt. Seit Jahrzehnten gibt es eine enge Kooperation zwischen Behörden und Neonazis. Sie ist immer wieder Dokumentiert und Bewiesen worden, nicht zuletzt auch von Aussteigern aus der Naziszene. Seit Gründung der BRD gibt es diese zusammenarbeitet.
Zur Zeit scheint es, als ob alle bekannten NPD-Funktionäre auf der Gehaltsliste des VS standen. So auch Nico Wedding und Thorsten Cramer, Anführer eines Schlägertrupps, der im Sommer 2000 eine Kundgebung von Antifaschisten an der Gedenkstätte für das KZ Kemna in Wuppertal überfallen hatten. Der VS hält sich einen Schlägertrupp, schlußfolgerte die "Junge Welt". Es geht aber bei weitem darüber hinaus. Wolfgang Frenz, Mitbegründer der NPD und Hauptbelastungszeuge im Verbotsverfahren gegen die NPD arbeitet seit 1959 eng mit dem Verfassungsschutz zusammen. 1964 wurde die NPD gegründet. Ungeklärt ist, inwieweit der VS an dem Aufbau der NPD maßgeblich beteiligt war. Festzustellen ist, daß es seitdem unzählige bekanntgewordene Fälle von Unterstützung der Nazis durch die Behörden gibt. Die Vorgehensweise ist fast immer gleich. Die V-Männer geben meist unbrauchbare Informationen an den VS. Es ist bislang kein Fall bekannt, wonach der Staat aufgrund dieser Informationen erfolgreich gegen Neonazis vorgehen konnte oder wollte. Das scheint den VS jedoch nicht zu stören, im Gegenteil: Der VS gibt ihnen Informationen die von den Nazis wieder in die Szene getragen werden. So können sie beispielsweise ihre Gesinnungsgenossen vor anstehenden Aktionen wie Hausdurchsuchungen warnen.
Diese Zusammenarbeit einzelner Nazis erfolgt mit Wissen ihrer Kameraden. Die Nazi-Parteien profitieren schließlich nicht bloß von den hierdurch erlangten Informationen, sondern werden auch finanziell unterstützt. Die Behördenhonorare fließen direkt in die Kassen der Parteien. V-Mann Frenz hat für seine Informantentätigkeit nach eigenen Angaben monatlich 600 bis 800 Mark bekommen, die er versteuerte und dann in die NPD Kasse eingezahlt habe. Allein diese Zusammenarbeit hat der NPD demnach über 250 000 Mark eingebracht. Von den Rund 200 Spitzenfunktionären der NPD und den Jugendorganisationen bekamen, nach dem jetzigen Kenntnisstand, 30 als "heimliche" Staatsdiener Gelder vom Staat, die alle in die Parteikasse flossen. Mit welchen Summen der Staat die Nazis unterstützt ,kann nur grob geschätzt werden. Dass er dies tut, kann jedoch nicht mehr geleugnet werden.
Die Behörden leisten demnach eine umfassende Hilfe zum Auf- und Ausbau von Nazistrukturen. Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner spricht von einer Verstrickung des Verfassungsschutzes mit der rechtsextremen Szene: "Mit seinen klandestinen Mitteln der Unterwanderung und Infiltration mischt er dort partiell mit, verstrickt sich fast zwangsläufig in kriminelle Machenschaften, wobei dann auch Straftaten geduldet oder direkt gefördert werden". Doch die VS-Mitarbeiter haben nicht nur zu Gewalttaten angestiftet oder daran teilgenommen. Viele haben auch maßgeblich dazu beigetragen, rechte Organisationsstrukturen überhaupt erst aufzubauen. Hier liegt der eigentliche Skandal. Durch die V-Mann-Affäre wird wieder einmal deutlich, dass dem Staat die Existenz von Nazistrukturen so wichtig ist, dass er sie seit Gründung der BRD massivst unterstützt. Das Nachrichtenmagazin der "Spiegel" kommt nicht an dem Schluß vorbei, dass der ganze Vorfall belegt, die NPD sei auch eine Partei der Staatsschützer.
Obwohl die Fakten für sich sprechen, wird sich hiermit jedoch nicht weiter befasst. Im Gegenteil: das Bekanntwerden der V-Männer führt zu Forderungen nach einer Einstellung des Verbotsverfahren. Die Oppositionsparteien FDP und CDU wollen das Verfahren umgehend eingestellt wissen. In ihren Stellungnahmen erklären sie die Verbotsanträge für politisch gescheitert und verlangen den Rücktritt Schilys. Dies ist merkwürdig, da in Verfahren gegen die sich radikal nennende Linke oder gegen die organisierte Kriminalität der Einsatz von V-Männern auf der Tagesordnung steht. Im Verfahren gelten sie den Richtern meist noch als besonders glaubwürdige und zuverlässige Personen. Eingestellt werden diese Verfahren, trotz Protesten von Verteidigern und Europäischen Gerichtshof nicht. Auch waren die Lieferungen der Bomben und die logistische Unterstützung der Stadtguerilla kein Hindernisgrund zur konsequenten Verfolgung durch den Staat bis in die heutige Zeit.
Bei näherer Betrachtung bleibt folglich nur der Schluß, dass es ein Interesse an der Existenz von Naziparteien gibt. Ein Verbot soll mit allen Mitteln verhindert werden. Selbst der Preis, dass die Verstrickung von Staat und Nazis erkennbar wird, ist hierfür nicht zu hoch.